Titelbild zum News-Artikel PÜHN Rechtsanwälte - Mandantenrundschreiben 08/2024 - Betriebsteilübergang (hier Asset Deal) – Zuordnung der Belegschaft – BAG 21.03.2024

PÜHN Rechtsanwälte - Mandantenrundschreiben 08/2024 - Betriebsteilübergang (hier Asset Deal) – Zuordnung der Belegschaft – BAG 21.03.2024

 

29. August 2024 - Mandantenrundschreiben 08/2024

Betriebsteilübergang (hier Asset Deal) – Zuordnung der Belegschaft – BAG 21.03.2024

Zum Sachverhalt: Der Kläger war langjährig bei der Beklagten beschäftigt. Diese betrieb u.a. in R und D ein Entwicklungszentrum.

Die Beklagte und die S GmbH (im Folgenden: S) schlossen Ende 2018/Anfang 2019 eine Vereinbarung (Master Asset Purchase Agreement) über die Übernahme eines Teils der Beklagten. Dies betraf schwerpunktmäßig einen speziellen Bereich sowie die dazugehörigen Testanlagen, Gebäude, IT-Hardware und Software sowie Büromöbel- und Ausstattung in R. Darüber hinaus pachtete S von der Beklagten deren Teststrecke in D. In dem bei der Beklagten verbleibenden Teil des Betriebes führt diese weiterhin Tätigkeiten in anderen Bereichen aus. Zu diesem Zeitpunkt waren bei S rund 30 Beschäftigte tätig.

Vor dem Hintergrund der Vereinbarungen mit S ergriff die Beklagte in den Betriebsstätten R bzw. D personelle und organisatorische Maßnahmen und baute eine darauf bezogene Organisation auf. Die Tätigkeit in dem übergehenden Teil, der einen eigenen Leiter hatte, setzte sich aus mehreren Bereichen zusammen, denen jeweils eigene Leiter vorstanden. Zur Koordination der Aufgaben und Projekte in den drei Bereichen fanden seit 29. Juli 2019 regelmäßige „Leadership Conferences“ statt. Ferner ordnete die Beklagte die zur Erbringung von Ingenieurleistungen erforderlichen Mess- und Testsysteme einschließlich der Prüfstände sowie Räumlichkeiten bzw. Immobilien zu und machte sie durch Zaunabsicherungen, Drehkreuze, Markierungen auf dem Boden, Türanlagen und Security Container optisch kenntlich.

Mit Schreiben vom 25. Juli 2019 wurde der Kläger über den geplanten Betriebsübergang auf S zum 30. August 2019 informiert. Dieser erhob Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte unterrichtete den Kläger zudem mit Schreiben vom 26. Juli 2019 über seine Versetzung in die auf S übergehende betriebliche Einheit. Mit Schreiben vom 19. August 2019 teilte der Kläger mit, dass er der Versetzung nur unter Vorbehalt nachkomme und die Wirksamkeit gerichtlich überprüfen lasse.

Nach Veräußerung der Wirtschaftsgüter und Übertragung der betrieblichen Leitungsmacht am 30. August 2019 setzte S die Erbringung der bisherigen Leistungen in dem übernommenen Bereich ohne nennenswerte Unterbrechung und ohne eine wesentliche Änderung der vormals bei der Beklagten bestehenden Arbeitsorganisation fort.

Gegen die Versetzung und einen Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf S hat sich der Kläger mit seiner Klage vom September 2020 gewandt und geltend gemacht, mit der Beklagten bestehe weiterhin ein Arbeitsverhältnis. Mangels übergangsfähiger wirtschaftlicher Einheit liege kein Betriebsübergang i.S.v. § 613a BGB vor. Jedenfalls sei sein Arbeitsverhältnis nicht der übergegangenen Einheit zugeordnet gewesen, da die Versetzung rechtswidrig gewesen sei.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in seinen Entscheidungen vom 21.03.2024 ( 2 AZR 79/23, 2 AZR 95/23) u.a. mit der Zuordnung der Belegschaft zu dem zu übertragenden Betriebsteil befasst und den Leitsatz aufgestellt, dass ein Arbeitsverhältnis nur von einem Betriebs(teil)-übergang im Sinne von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfasst wird, wenn der Arbeitnehmer zuvor
individual- und ggf. kollektivrechtlich wirksam der dann übergehenden wirtschaftlichen Einheit zugeordnet wurde.

Grundvoraussetzung war, dass es sich bei den von S übernommenen Betriebsstätten in R bzw. D um eine übergangsfähige wirtschaftliche Einheit im Sinne der Richtlinie (EGRL 23/2001/23) und damit des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB handelt. Dies bejahten die BAG-Richter unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Rechtsprechung.

Interessant, da bisher noch nicht geklärt, war die Entscheidung der Richter dahingehend, dass es rechtlich ohne Belang ist, dass die Beklagte den Betriebsteil als wirtschaftliche Einheit erst etwa einen Monat vor seinem Übergang durch eine Aufteilung und Untergliederung des Betriebes geschaffen hat. Es ist unionsrechtlich unerheblich, wie lange die wirtschaftliche Einheit beim Veräußerer vor dem Betriebsübergang bereits bestanden hat. Sie kann auch allein zum Zweck der Ermöglichung eines Betriebs(teil)-übergangs geschaffen werden, lediglich "betrügerische oder missbräuchliche" Fälle haben außer Betracht zu bleiben, so der 2. Senat des BAG. Es waren im konkreten Fall für das BAG keine Umstände erkennbar, die auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten schließen lassen. Diese ausgegliederte wirtschaftliche Einheit ist mit Wirkung zum 30. August 2019 auf S gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB „durch Rechtsgeschäft“ im Rahmen eines sog. Asset-Deal übergegangen. Sie wurde identitätswahrend fortgeführt, indem das Unternehmen S materielle und immaterielle Vermögensgegenstände der Beklagten sowie die Verantwortlichkeit für den Betrieb und die ihm zugeordnete Hauptbelegschaft übernommen hat.

Die Richter folgten der Ansicht des Klägers nicht, wonach ein Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf S daran scheitern soll, dass er gerade wegen des Betriebs(teil)-übergangs in die übergehende wirtschaftliche Einheit versetzt worden ist. § 613a Abs 4 S 1 BGB (Unwirksamkeit einer Kündigung wegen des Übergangs eines Betriebs- oder eines Betriebsteils) ist nicht analog auf den Fall der Versetzung eines Arbeitnehmers in einen übergehenden Betriebsteil anwendbar. Es fehlt an den Voraussetzungen für eine solche Analogie, nämlich an einer planmäßigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe nämlich mit dem in § 613a Abs. 6 BGB geregelten Widerspruchsrecht eigens eine Möglichkeit für den Arbeitnehmer geschaffen, zu verhindern, dass er einen neuen, von ihm nicht gewollten Arbeitgeber durch den Betriebsübergang bekommt.

Dies könnte nur dann anders zu beurteilen sein, wenn ein Arbeitnehmer wegen einer vorangegangenen Zuordnungsentscheidung nicht von einem Betriebs(teil)-übergang betroffen ist und in einem wirtschaftlich nicht lebensfähigen Restbetrieb verbleibt. Dann könnte sich die Frage nach einer etwaigen Rechtsmissbräuchlichkeit der Zuordnungsentscheidung stellen, da den zurückbleibenden Arbeitnehmern – anders als den übergehenden – nicht die Möglichkeit eines Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB zusteht. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.
Die Rechtstreite sind an das Hessische Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden, da von diesem jegliche Feststellungen fehlten, ob der jeweilige Kläger wirksam dem übergegangenen Betriebsteil zugeordnet wurde.

  • Fazit: „Das Aufhübschen der Braut“ wird attraktiver. Der Zeitpunkt der Zuordnung von Personal in den übergehenden Betriebsteil ist unbeachtlich, sofern es vor der Übertragung erfolgt. Entscheidend bleibt, dass die Versetzung von Arbeitnehmern oder Arbeitnehmerinnen in die dann übertragene Einheit vom Recht des Arbeitgebers aus § 106 GewO umfasst ist, andere vertragliche Vereinbarungen der Parteien nicht entgegenstehen und die Ausübung des Weisungsrechts die Grenzen billigen Ermessens wahrt.


PS: Haben Sie seit dem 01.08.2022 Neueinstellungen vorgenommen? Ja, wird der eine oder andere innerlich sagen. Jetzt kommt aber die entscheidende Frage: Ist dies unter Beachtung des Nachweisgesetzes geschehen? Aus Anlass des „2. Jahrestages“ kommen wir auf unser Rundschreiben 07/2022 zurück und möchten an die Anpassung der Arbeitsvertragsmuster - insbesondere für Neueinstellungen - erinnern.

Pühn
Rechtsanwältin
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Quelle:

PÜHN
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