Titelbild zum News-Artikel PÜHN Rechtsanwälte - Mandantenrundschreiben 07/2024 - GmbH-Recht - Disquotale Gewinnverteilung und/oder Gewinnausschüttung

PÜHN Rechtsanwälte - Mandantenrundschreiben 07/2024 - GmbH-Recht - Disquotale Gewinnverteilung und/oder Gewinnausschüttung

 

31. Juli 2024 - Mandantenrundschreiben 07/2024

GmbH-Recht - Disquotale Gewinnverteilung und/oder Gewinnausschüttung

Die Zukunft moderner GmbH-Satzungen hat vor 3 Jahren begonnen (BFH, Urt. v. 28.09.2021, VIII R 25/19). Die Aufnahme sog. Öffnungsklauseln für disquotale Gewinnverteilungen und/oder Gewinnausschüttungen schafft flexible Möglichkeiten für eine bedarfsgerechte und steuerorientierte Gewinnausschüttung individuell für jeden Gesellschafter einer GmbH (von der sog. „Sparschwein-GmbH“ zur „Sparschwein-Gesellschafterbeteiligung“), schafft Raum für Gewinnverteilungen differenziert nach den Ergebnissen einzelner Unternehmenssparten innerhalb eines Unternehmens (Tracking Stocks), lassen die Berücksichtigung von Sonderleistungen einzelner Gesellschafter einschließlich der Bereitstellung von Wirtschaftsgütern zu, sind unverzichtbares Mittel im Vorfeld von Unternehmensnachfolgen, bei Bedarf im Vorfeld von Anteilsübertragungen sowie für Differenzierungen in Familiengesellschaften und für vieles mehr.

Was bedeutet disquotale Gewinnverteilung?
Bei einer disquotalen Gewinnverteilung (auch disq.Gewinnverwendung) wird der Gewinn unter den Gesellschaftern abweichend vom Verhältnis ihrer Beteiligung am Stammkapital verteilt.

Was ist eine disquotale Gewinnausschüttung?
Davon zu trennen ist die disquotale Gewinnausschüttung (auch gespaltene oder inkongruente Gewinnausschüttung) bei der im Einvernehmen ein Teil der Gesellschafter ihre Gewinne ausgezahlt bekommen und ein anderer Teil der Gesellschafter ihren Gewinnanteil in der GmbH thesaurieren (Buchung auf personengebundenen Unterkonten für den betreffenden Gesellschafter).
Bei entsprechender Ausgestaltung können disquotale Gewinnverteilung und disquotale Gewinnausschüttung auch kombiniert werden.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff einer „Öffnungsklausel“?
Eine Öffnungsklausel in der Satzung besagt, dass die Gesellschafter (mit einer bestimmten Mehrheit oder einstimmig) von einer disquotalen Gewinnverteilung oder disquotalen Gewinnausschüttung Gebrauch machen können, aber nicht müssen. D. h. sie können eine verhältniswahrende Gewinnverteilung beibehalten und nur bei Bedarf über die Öffnungsklausel Abweichendes beschließen.
Ergebnis: Höchstmögliche Flexibilität bei der Gewinnverteilungs-, Steuerbelastungs- und Liquiditätssteuerung.

Beispiel 1 - Disquotale Gewinnausschüttung
In der GmbH 1 sind ein Mehrheitsgesellschafter mit 90 % und ein weiterer Gesellschafter mit 10 % beteiligt. Letzteren wollte der Mehrheitsgesellschafter binden (sei es als qualifizierten Mitarbeiter, sei es als potentiellen Unternehmensnachfolger, sei es als Geschäftspartner, sei es ein Mitglied aus der Familie). Damit der Minderheitsgesellschafter etwas davon hat bedarf es regelmäßiger Gewinnausschüttungen. Ohne eine Öffnungsklausel müsste die Gesellschaft, um Gewinne dem Minderheitsgesellschafter zukommen zu lassen, gleichzeitig verhältniswahrend 90 % an den Mehrheitsgesellschafter ausschütten. Aus z.B. 10.000 € werden plötzlich 100.000 € notwendiger Ausschüttung. Das ist eine ganz andere Hausnummer für die Liquidität der Gesellschaft. Der Mehrheitsgesellschafter hat, altersbedingt und/oder aufgrund seines Geschäftsführergehaltes, überhaupt keinen Bedarf nach einer Ausschüttung; und zeigt sich wenig zufrieden mit der Auskunft, dass er die nicht gewollte Ausschüttung dann auch noch beim Finanzamt auf Gesellschafterebene versteuern darf. Bei Thesaurierung seines Gewinnanteils in der GmbH hätte er sich die Steuern auf Gesellschafterebene ersparen und mit dem Geld + Steuerersparnis! arbeiten können („Sparschwein-Gesellschafterbeteiligung“ – Vorteil der GmbH gegenüber der grds. sofortigen Versteuerung auf der Grundlage des Transparenzprinzips bei Personengesellschaften, einschließlich GmbH & Co. KG).
Mit einer Öffnungsklausel in der GmbH-Satzung für disquotale Gewinnausschüttungen könnten die Interessen beider Gesellschafter optimal befriedigend realisiert werden.

Beispiel 2 - Disquotale Gewinnverteilung
A ist alleiniger Gesellschafter und beabsichtigt in absehbarer Zeit sein Unternehmen an einen Nachfolger zu übergeben. Sein Mitarbeiter B ist als Nachfolger geeignet und qualifiziert; als junger Familienvater mit neu gebautem Haus aber mittellos. Durch perspektivische Aufnahme von B als Minderheitsgesellschafter und Öffnung der Satzung für eine disquotale Gewinnverteilung spart B die Mittel durch Arbeit an. Ergebnis: eine WIN-WIN - Situation.

Der Bundesgerichtshof als oberstes Zivilgericht als auch die Finanzgerichte erkennen disquotale Gewinnverteilungen und disquotale Gewinnausschüttungen bei

  • eindeutiger Regelung im Gesellschaftsvertrag (ausreichend: Öffnungsklausel),
  • zivilrechtlich wirksamen Gesellschafterbeschluss bei Anwendung der Öffnungsklausel an.

Die Finanzverwaltung ist zögerlich und wendet einen strengeren Ansatz als die Rechtsprechung des BFH für die steuerliche Anerkennung an (BMF v. 17.12.2013 – IV C 2 – S 2750a/11/10001, BStBl. I 2014, 63).

  • Kein Gestaltungsmissbrauch: Als dritte Voraussetzung prüft die Finanzverwaltung die abweichende Gewinnverteilung auf ihrer Fremdüblichkeit. Sie verlangt einen Nachweis wirtschaftlich vernünftiger außersteuerliche Gründe für die abweichende Gewinnverteilung.

Letzteres erscheint kein Grund dafür, das Gestaltungsmittel der disquotalen Gewinnverteilung und/oder Gewinnausschüttung in Form einer Öffnungsklausel in modernen GmbH-Satzungen nicht vorzuhalten. Die Finanzgerichte und der BFH nehmen bei disquotalen Gewinnausschüttungen nur in Ausnahmefällen einen Gestaltungsmissbrauch an (siehe nunmehr BFH, Urt. v. 16.04.2024, VIII R 3/21).

Fazit:
Das Gießkannenprinzip ist oft zu grob. Die Bedürfnisse von Gesellschaften und Gesellschaftern sind individueller. GmbH-Satzungen sollten regelmäßig überprüft, aktualisiert und modernisiert werden. Disquotale Gewinnverteilungen und/oder (kombiniert) disquotale Gewinnausschüttungen sind nur ein Beispiel und eröffnen Gesellschaftern wie Gesellschaften Gestaltungs- und Handlungsspielräume.

Prof. Dr. Junghanns
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Pühn Rechtsanwälte, Zwickauens

Quelle:

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