Titelbild zum News-Artikel PÜHN Rechtsanwälte - Mandantenrundschreiben 06/2024 - Erbrecht: Unternehmens- und Vermögensnachfolge Gesellschaftsrechtliche Gestaltungen zur Vermeidung oder Verminderung von Pflichtteilsrechten

PÜHN Rechtsanwälte - Mandantenrundschreiben 06/2024 - Erbrecht: Unternehmens- und Vermögensnachfolge Gesellschaftsrechtliche Gestaltungen zur Vermeidung oder Verminderung von Pflichtteilsrechten

 

03. Juli 2024 - Mandantenrundschreiben 06/2024

Erbrecht: Unternehmens- und Vermögensnachfolge Gesellschaftsrechtliche Gestaltungen zur Vermeidung oder Verminderung von Pflichtteilsrechten - BGH, Urteil vom 03.06.2020, Az. IV ZR 16/19

Pflichtteilsrechte stellen eine potenzielle Gefahr für die Unternehmens- und Vermögensnachfolge dar, sogar rückwirkend! Daher sind bewusste und frühzeitige Gestaltungen ein Muss für die Unternehmensnachfolge und den Erhalt von Vermögen (insbesondere Immobilien) innerhalb der Familie. Das Gesellschaftsrecht bot bisher eine Möglichkeit, Pflichtteilsrechte auszuschließen - Ausscheiden des Erblassers im Todesfall ohne Abfindung. Doch das BGH-Urteil vom 03.06.2020 hat diese gängige Praxis eingeschränkt. Bestehende Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften (GbR, GmbH & Co. KG etc.) und Kapitalgesellschaften (GmbH, UG) sollten gemäß dem BGH-Urteil überprüft werden. Bei Beratungen sollten Alternativen zur Verminderung von Pflichtteilsansprüchen mit den Lösungen über das Gesellschaftsrecht verglichen werden.


Im deutschen Erbrecht ist grundlegend, dass Ehepartnern und leiblichen Kindern ein sogenannter Pflichtteil zusteht, wenn sie durch ein Testament von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des sonst vorgesehenen gesetzlichen Erbteils. Bei einer vierköpfigen Familie beläuft sich der Pflichtteil eines Kindes auf 1/8 des vererbten Gesamtvermögens (frühere Schenkungen des Erblassers an andere können den Pflichtteil bis zu 10 Jahre zurück sogar noch erhöhen, sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch). Der Pflichtteilsanspruch ist ein Zahlungsanspruch, der in Geld zu erfüllen ist.


Bei der Übertragung eines Unternehmens zu Lebzeiten oder im Erbfall auf einen oder mehrere - aber nicht alle - Nachkommen der Familie (in der Regel unentgeltlich; jedenfalls unter Wert) handelt es sich um erhebliche Vermögenswerte (vereinfacht nach Bewertung Finanzamt: durchschnittlicher Unternehmensgewinn der letzten 3 Jahre x 13,75 !!!). Wie jeder weiß, ist Vermögen nicht gleich Liquidität. Wenn ein nicht berücksichtigter Pflichtteilsberechtigter seinen Pflichtteil geltend macht, steht oft die notwendige Liquidität zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs nicht zur Verfügung. Sie können sich bei 2 Kindern (1/8), 3 Kindern (1/12) und anhand Ihres Unternehmensgewinns im Vergleich zur vorhandenen Liquidität selbst ausrechnen, was in Ihrem Fall passieren würde.


Daher gehören bei der Gestaltung der Unternehmensnachfolge und bei der Übertragung von größeren Vermögen (Immobilien) notarielle Pflichtteilsverzichte von weichenden gesetzlichen Erben zum Pflichtprogramm!


Ohne Mitwirkung des oder der Pflichtteilsberechtigten war es gängige Praxis, unternehmerisches Vermögen und auch Immobilien in Gesellschaften dadurch dem Risiko des Pflichtteils zu entziehen, dass die Gesellschafter in den Gesellschaftsverträgen das Ausscheiden eines Gesellschafters im Todesfall ohne oder mit geringer Abfindung vereinbarten. Unter bestimmten Bedingungen, insbesondere dass dies für alle Gesellschafter gleichermaßen gilt und der Gesellschafterkreis wenigstens annähernd im gleichen Alter ist, wurde dies zivilrechtlich nicht als Schenkung angesehen und unterlag damit auch keinem Pflichtteilsanspruch. Auch in dem BGH-Urteil aus dem Jahr 2020 lag eine solche Gestaltung vor. Typischerweise eine Gesellschaft, an der beide Ehegatten beteiligt waren, die eine Immobilie oder Immobilienvermögen hielt (gilt für den Betrieb eines Unternehmens gleichermaßen). Verstarb einer der Ehegatten, so die gesellschaftsvertragliche Regelung, schied er als Gesellschafter ohne Abfindung aus und wuchs das gesamte Vermögen der Gesellschaft (wunschgemäß und zielgerichtet) dem anderen Ehegatten zu, ohne dass andere gesetzliche Erben hier Zugriff auf das Vermögen durch Geltendmachung von Pflichtteilsrechten gehabt hätten. Da aber in dem zu entscheidenden Fall von Anfang an die Struktur der Gesellschaft ausschließlich und offenkundig nur auf die Umgehung des Pflichtteilsrechtes und den Ausschluss der Pflichtteilsberechtigten angelegt war, ohne dass ein unternehmerischer Zweck der Klausel zum Erhalt des Vermögens erkennbar war, hatte der BGH in diesem Fall eine Schenkung angenommen. Folge des Urteils war der Zugriff durch den Pflichtteilsberechtigten. Und Vermögen ist nun mal nicht gleich Liquidität.


Fazit: Die Unternehmensnachfolge und Vermögensnachfolge erfordern eine langfristige und sinnvolle Planung. Ein Teil dieser Planung sind Pflichtteilsverzichte oder Gestaltungen, die den Wünschen und Vorstellungen der Übergeber nach langfristigem Erhalt des Unternehmens oder von Vermögen (Immobilien) entsprechen und damit das Risiko von Pflichtteilsansprüchen mindestens mindern.

Quelle:

PÜHN
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Prof. Dr. Junghanns
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht