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PÜHN Rechtsanwälte - Mandantenrundschreiben 03/2024 - Gesellschaftsrecht - „Sonderrechte“ in Gesellschaftsverträgen und Gesellschaftervereinbarungen

 

04. April 2024 - Mandantenrundschreiben 03/2024

Gesellschaftsrecht - „Sonderrechte“ in Gesellschaftsverträgen und Gesellschaftervereinbarungen - Gestaltungsmittel in der Praxis für Gesellschafter und Gesellschaftergruppen

30 Jahre sind um - Unternehmensnachfolgen stehen an oder stecken aufgrund überalterter Gesellschaftsstrukturen in der Sackgasse fest (vgl. zu Themen und Strukturierung der Unternehmensnachfolge MDR 11/2023).

Der Unterzeichnete wird verstärkt im Bereich der Unternehmensnachfolge hinzugezogen. Das beschränkt sich selten auf eine rein rechtliche Beratung, sondern Erfahrung, Wahrnehmung von Interessen und Vermittlung sind gefragt. Gibt es nur einen Senior-Gesellschafter ist bei der Gestaltung der Unternehmensnachfolge bereits an vieles zu denken (finanzielle Ausgestaltung, Bildung von sogenannten Familienstämmen für nachfolgende Generationen, Erbrecht - Ansprüche weichender Erben, Vermögenssicherung, Betriebsaufspaltung etc.). Bei mehreren Senior-Gesellschaftern kommt es häufig zu einer zukunftsuntauglichen Ausdünnung mitarbeitender Gesellschafter, deren Engagement und generierten Unternehmensgewinne mitgenommen werden, die aber in den Gesellschafterversammlungen gegenüber den dann rein kapitalgebenden Gesellschaftern nichts zu sagen haben. Unternehmensentwicklung und Kapital(Ausschüttungs-)-interesse stehen sich gegensätzlich gegenüber.

Dabei lassen die Gesellschaftsverträge weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten zu, um unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden; die aber weitestgehend sowohl den Beteiligten als auch ihren Beratern /Notaren, die nicht schwerpunktmäßig im Gesellschaftsrecht beraten, unbekannt sind. Das ist schade, Potenzial geht aus Unkenntnis verloren.
Das soll nachfolgend nur beispielhaft anhand sog. „Sonderrechte“, die für einzelne Gesellschafter oder Gesellschaftergruppen (auch Familienstämme) in den Gesellschaftsverträgen vereinbart werden und die nicht ohne deren Zustimmung durch Beschluss der Gesellschafterversammlung beeinträchtigt oder entzogen werden können (§ 35 BGB). Bekannt sind in der Regel Sonderrechte auf Geschäftsführung. Schon weniger bekannt sind Gestaltungen, in denen die Zahl der Stimmrechte abweichend von der Anzahl der gehaltenen Geschäftsanteile geregelt werden (z.B. Mehrfachstimmrechte, stimmrechtslose Anteile).

Nachfolgend werden Sonderrechte nur begrifflich angeschnitten, um vor Augen zu führen, wie vielfältig die Gestaltungsmöglichkeiten allein über Sonderrechte sein können und um zu motivieren, „dass etwas geht“ – auch wenn die Gesellschafterstrukturen vermeintlich feststecken!

Allgemein
Sonderrechte: höchstpersönlich, an die Person des Gesellschafters gebunden oder anteilsgebundene Sonderrechte (Vorzugsgeschäftsanteil)
Sonderrechte: unbefristet, befristet, aufschiebend oder auflösend bedingt
Sonderrechte: Gestaltungsmittel in den Familiengesellschaften häufig für die jeweiligen Familienstämme

Sonderrechte:

  • Entsendungsrecht in einen Beirat

  • Recht auf Versammlungsleitung (wichtig und Zünglein an der Waage in Gesellschafterversammlungen!)

  • Recht auf Bestellung zum Prokuristen oder auf Erteilung von Prokura

  • Weisungsrechte gegenüber der Geschäftsführung

  • Recht auf vorzugsweise Befriedigung bei Veräußerung (Sales Preference) oder bei Auflösung der Gesellschaft (Liquidationspräferenz)

  • auf Auflösung

  • auf Beitragsfreiheit

  • Recht auf bevorzugte Benutzung von Einrichtungen der Gesellschaft

  • auf ein Belieferungs- oder Abnahmerecht

  • Vorab-Gewinnbeteiligung an einem eingebrachten Patent oder Geschäftschancen etc.

Geschäftsführungs-Sonderrechte

  • Gesellschafter als Geschäftsführer (dann im Zweifel grundsätzlich auch nicht weisungsgebunden!): Die Position des Gesellschafter-Geschäftsführers ist dann „sattelfest“. Er kann ordentlich nicht abberufen werden. Die außerordentliche Abberufung aus wichtigem Grund wird erst nach rechtskräftigem Gerichtsurteil wirksam. Das schafft für den Sonderrechtsinhaber Rechtssicherheit.

  • Benennungsrecht: Gesellschafterversammlung ist nach Benennung durch einen Gesellschafter oder eine Gruppe von Gesellschaftern verpflichtet, die benannte Person zum Geschäftsführer zu bestellen, es sei denn, es sprechen sachliche, im Interesse der GmbH liegende Gründe dagegen.

  • Präsentationsrecht: Gesellschafterversammlung ist nach Präsentation eines Geschäftsführers durch einen Gesellschafter oder eine Gruppe von Gesellschaftern verpflichtet, die benannte Person zum Geschäftsführer zu bestellen, es sei denn, es liegen sachliche Gründe vor, die auch einen Widerruf aus wichtigem Grund nach § 38 Abs. 2 GmbHG rechtfertigen würden.

  • Sonderrecht auf Nachfolgeregelung für ausscheidenden Gesellschafter-Geschäftsführer (die Auslegung kann ergeben, dass einem Gesellschafter, dessen - im Zweifel höchstpersönliches -Sonderrecht auf Geschäftsführung endet, ein Recht auf Benennung seines Nachfolgers zusteht).

  • Eigenes Bestellungs- oder Entsenderecht: Hier wird der Geschäftsführer unmittelbar durch den Sonderrechtsinhaber (einzelner Gesellschafter oder Gruppe von Gesellschaftern) bestellt.

Im Zweifel nimmt die h.M. für die obigen Sonderrechte in Bezug auf die Geschäftsführung gleichzeitig eine sog. Annexkompetenz des Sonderrechtsinhabers für den Abschluss eines (angemessenen) Anstellungsvertrages mit der GmbH an! (P: Beschränkungen des Insichgeschäfts nach § 181 BGB – h.M. konkludente Befreiung mit Einräumung Sonderrecht)

Gewinn-Sonderrechte

  • Sonderrecht: disquotale Gewinnverteilung

Die disquotale Gewinnverteilung ist ein bislang unterschätztes (unbekanntes) Gestaltungswerkzeug. Eine Form ist die Ausgestaltung der Gewinnverteilung abweichend von der quotalen Verteilung der Anteile. Aber mehr noch: Mit ihr kann auch gestaltet werden, dass die quotale Gewinnverteilung zwar beibehalten wird, aber ein Teil der Gesellschafter die Gewinne in der Gesellschaft und für die Entwicklung der Gesellschaft thesauriert und an andere Gesellschafter Ausschüttungen vorgenommen werden. Auf diese Weise wird die Liquidität der Gesellschaft geschont. Thesaurierende Gesellschafter müssen die Gewinne auf der Gesellschafterebene nicht versteuern. Durch Verzinsung der thesaurierten Gewinne oder anders ausgestalteter Gewinn-Sonderrechte für die thesaurierenden Gesellschafter wachsen mittelfristig ausschüttende Gesellschafter heraus oder können deren Geschäftsanteile z.B. von der GmbH selbst als eigene Anteile übernommen werden.

  • Gewinn-Vorzugsrechte:

umsatzabhängige Gewinnbeteiligung, Vorab- oder Vorzugsdividende (Gewinnvorab), Nachzahlungs- oder Nachbezugsrecht, Gewinn-beteiligung auf einen abgegrenzten Geschäftsbereich


Sonderrechte und Zustimmungsvorbehalte

  • Mehrstimmrechte: Ohne Änderung der vermögensmäßigen Beteiligung und des Gewinnbezugsrechtes können Mehrheitsstimmrechte etwa in einer Klausel umgesetzt werden, welche die Zahl der Stimmen eines Gesellschafters oder eines Geschäftsanteils mit einem bestimmten Faktor multipliziert; oder einfach „50 + 1 Stimme“.

  • Zustimmungsvorbehalte: Gesellschafterbeschlüsse werden erst mit Zustimmung eines Gesellschafters oder einer Gruppe von Gesellschaftern wirksam.

  • Vetorechte: Ein Vetorecht (schwächer als Zustimmungsvorbehalte) hat zur Folge, dass der mehrheitlich gefasste Beschluss nicht gegen den erklärten Willen des sonderberechtigten Gesellschafters wirksam gefasst werden kann, dieser muss allerdings sein Veto aktiv einlegen.

  • Widerspruchsrecht: Suspensiveffekt, durch dessen Einlegung die Umsetzung eines Beschlusses bis zur Klärung einer Streitfrage aufgeschoben wird.

  • Stichentscheid: Kommt zum Tragen (z.B. Alternative zum Mehrstimmrecht), wenn ein Antrag in der ersten Abstimmungsrunde (z.B. bei Stimmengleichheit) abgelehnt wurde.

Vorerwerbs-Sonderrechte
Schutzzweck: a) Überfremdungsschutz, b) Verhinderung unerwünschte Veränderung der bestehenden Beteiligungsverhältnisse
Für die Praxis empfohlen werden statt Vorkaufsrechten regelmäßig preislimitierte Vorerwerbsrechte entweder für alle (Mit-)Gesellschafter oder für bestimmte Gesellschafter. Verknüpft werden kann ein Vorerwerbsrecht mit einer vorgelagerten Andienungspflicht für veräußerungswillige Gesellschafter.

Schuldrechtliche Nebenvereinbarungen (Gesellschaftervereinbarungen)
Kein Sonderrecht im Gesellschaftsvertrag, sondern durch schuldrechtliche Vereinbarung zwischen allen Gesellschaftern, Gesellschaftergruppen oder zwischen der Gesellschaft und Gesellschaftern. Vorteil: Vermeidung Offenlegung z.B. gegenüber dem (einsehbaren) Handelsregister. Nachteil: Wirken nur zwischen den an der Gesellschaftervereinbarung beteiligten Parteien und müssen bei Übertragung von Anteilen auf die neuen Anteilsinhaber erstreckt werden.

Praxisbeispiele

  • Zustimmungsvorbehalte,
  • Entsendungsrecht
  • Stimmrechtsvereinbarungen
  • Poolverträge
  • schuldrechtliche Ankaufs- und Vorerwerbsrechte
  • disquotale Gewinnausschüttungen
  • Abfindungsbeschränkungen
  • Regelungen zur Geschäftsführerbestellung
  • Beschränkung Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund


Fazit:
Ohne Einigung geht es nicht. Aber ohne Kenntnis und Ausschöpfung von Gestaltungen im Gesellschaftsvertrag werden Möglichkeiten hin zu einer Einigung verkannt und vergeben.

Quelle:

PÜHN
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Prof. Dr. Junghanns
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht